Dienstag, 29. September 2015
Schwerpunkt: Jüdische Lehrer in Oberfranken - Start W-Seminar Bamberg
Mit Beginn des neuen Schuljahres startete das W-Seminar unter Leitung von Daniel Wächter am Bamberger Eichendorff-Gymnasium. Die Schülerinnen recherchieren vor allem zu jüdischen Lehrern aus Oberfranken. Am Donnerstag, den 24. September, stellte Sabine Gerhardus den groben Zeitplan des Seminars vor und teilte die Werkstattordner aus. Fragen der Teilnehmerinnen drehten sich vor allem ums Thema Archivarbeit. Viel Erfolg bei der Recherche!
Dienstag, 22. September 2015
Schwerpunkt Freising - Seminarstart am Camerloher Gymnasium
Mit Verfolgten aus Freising und Umgebung beschäftigt sich das aktuelle W-Seminar am Freisinger Camerloher Gymnasium schwerpunktmäßig.
13 Schülerinnen und 1 Schüler haben am 18.9.2015 unter der Leitung von Geschichtslehrer Andreas Decker mit der Arbeit begonnen. Sabine Gerhardus stellte erste Namen von Verfolgten vor und gab die Werkstattordner aus. Nächste Woche wird Andreas Decker über die Geschichte Freisings während der NS-Zeit informieren.
13 Schülerinnen und 1 Schüler haben am 18.9.2015 unter der Leitung von Geschichtslehrer Andreas Decker mit der Arbeit begonnen. Sabine Gerhardus stellte erste Namen von Verfolgten vor und gab die Werkstattordner aus. Nächste Woche wird Andreas Decker über die Geschichte Freisings während der NS-Zeit informieren.
Samstag, 19. September 2015
Große Presseresonanz in den Niederlanden
Erfreulich große Presseresonanz findet das Gedächtnisbuchprojekt in den Niederlanden - nicht zuletzt wegen der großen Ausstellung im Amsterdamer Widerstandsmuseum. Von Jos Sinnema haben wir einen ganzen Stapel Zeitungsausschnitte erhalten. Damit wir auch verstehen, was die Niederländer so schreiben, hat Jos den Inhalt auf Post-Its zusammengefasst.
Mittwoch, 16. September 2015
Herzlich willkommen, Agco und Maurycy!
V.l.n.r.: Agco, Projektleiterin Sabine Gerhardus, Maurycy |
Die 19jährige Agco Halmen kommt aus dem rumänischen Sighisoara (Schassburg), ihr gleichaltriger Kollege Maurycy Przyrowski stammt aus der Gegend um Warschau. Die neuen Freiwilligen haben so einige Gemeinsamkeiten: Beide sprechen sehr gut deutsch, für Agco ist das sogar die Muttersprache. Beide haben eben ihr Abitur erfolgreich absolviert. Und nicht zuletzt: Beide interessieren sich sehr für Zeitgeschichte, daher fiel ihre Wahl auf Dachau. Agco kennt ihren neuen Wohn- und Einsatzort bereits, sie war Teilnehmerin einer Internationalen Jugendbegegnung.
Wir wünschen beiden viel Spaß bei der Mitarbeit im Gedächtnisbuchprojekt und ein schönes und erfolgreiches Jahr in Dachau. Herzlich willkommen!
Donnerstag, 10. September 2015
Gegen Rassismus – Stimmen der Jugend aus aller Welt
Kat vor den Ausstellungstafeln |
Für die Ausstellung befragten sie Bekannte aus mehreren Nationen zum Thema Rassismus. Die Antworten zeigen sie zusammen mit einem Foto der Autorin / des Autors. Zu sehen ist die Ausstellung im Gesprächsraum der Versöhnungskirche Dachau bis zum 3. November zu folgenden Zeiten: Montag 10–12, Dienstag bis Samstag, 10–16 Uhr, Sonntag 12–13 Uhr. Weitere Infos auf der Website der Versöhnungskirche: http://www.versoehnungskirche-dachau.de/angebote/pages/Ausstellungen.php
Mittwoch, 2. September 2015
Kaunas: Die letzte Station
Rolandas Vytautos Lingys führt durch das IX. Fort in Kaunas |
Text und Fotos von Julian Monatseder
In den letzten Wochen
habe ich Katharina mit der Kamera bei ihren Recherchen über Ferdinand Kissinger
begleitet. Dank des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) hatten
wir nun die Möglichkeit nach Kaunas zu reisen. Die zweitgrößte Stadt Litauens
war dabei nicht nur die letzte Station unserer Dokumentation über den jüdischen
Lehrer aus München, sondern stellt auch das traurige letzte Kapitel seines
eigenen Lebens dar. Im November 1941 wurde er hier von den Nazis erschossen.
Es ist ein besonders heißer Tag Anfang August im
Jahrhundertsommer 2015 als wir Katharina vom Flughafen in Warschau, Polen
abholen. Zusammen mit meinem Tonassistenten Benjamin Edwards fahren wir mit ihr
von hier bis nach Kaunas. Auf dem Weg machen wir noch Halt in Treblinka, dem
Ort eines der größten Vernichtungslager Polens. Hier wurden nur wenige
Häftlinge zur Arbeit gezwungen. Die meisten fanden bereits Minuten nach ihrer
Ankunft an der als normaler Bahnhof getarnten Rampe ihren Tod in der Gaskammer.
Viel ist nicht mehr übrig vom einstigen Lager. Archäologische Ausgrabungen
fördern jedoch jedes Jahr aufs Neue grausame Details über die „perfekt“
organisierte Massenvernichtung zu Tage.
Treblinka
Es hat inzwischen etwa 35 Grad. Wir stehen auf einer grünen
Wiese. Um uns herum dichter Wald. Ein Feld von Gedenksteinen, ein großes
Mahnmal, ein paar Hinweisschilder, große Steine, die die Begrenzungen des
Lagers anzeigen und rekonstruierte Streben der Eisenbahntrasse sind das Einzige
was auf die dunkle Vergangenheit des Ortes hinweisen. Nach der Auflösung des
Lagers 1943 wurde darauf geachtet, alle Zeugnisse der hier stattgefundenen
Massenmorde zu vernichten.
Vögel zwitschern, nur die Natur ist zu hören. Die nächste
große Straße ist weit entfernt. Bis auf eine vereinzelte kleine Reisegruppe aus
Großbritannien ist die Gedenkstätte menschenleer. An diesem heißen Sommertag
hat der Ort fast eine seltsame Schönheit, strahlt eine trügerische Idylle aus.
Es macht das, was hier passiert ist, noch unvorstellbarer. Die Gräueltaten des
Dritten Reichs werden zur abstrakten, weit entfernten Geschichte, der wir uns
als zweite, oder im Fall von Katharina sogar dritte, Generation nach dem Krieg
nur noch mit einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema nähern können. Das
hervorragende Museum am Eingang hilft dabei, die Geschichte vor unserem Auge
wieder aufleben lassen. Es wird die große Aufgabe der jüngeren Generation sein,
diesen dunklen Punkt deutscher Geschichte in Zeiten von Facebook und Smartphone
dem Vergessen zu entreißen. Zum Glück gibt es junge Menschen wie Katharina, die
sich Zeit nehmen für diese Geschichte, obwohl es so einfach wäre, sie
auszublenden: „Deutschland scheint ja heute so anders zu sein. Sowas kann ja eh
nicht mehr passieren. Würde man ja auf Googlemaps sehen so ein
Konzentrationslager.“ An diesem heißen Sommertag in Treblinka wird mir wieder
einmal bewusst, dass wir als Deutsche nie aufhören dürfen, uns zu erinnern und
das bedeutet mit zunehmenden historischen Abstand immer mehr die aktive Auseinandersetzung
mit unserer Geschichte.
Kaunas
Treblinka stimmt uns darauf ein, was uns am nächsten Tag in
Kaunas erwartet. Zunächst besuchen wir mit Katharina den Bahnhof, an dem
Ferdinand Kissinger nach seiner Deportation in Litauen ankam. Der Bahnhof wurde
nach dem Krieg durch ein neues Gebäude ersetzt. Wieder brauchen wir viel Abstraktionsvermögen
um uns die Ankunft des Deportationszuges mit den mit hunderten Menschen völlig
überfüllten Güterwaggons vorzustellen.
Katharina am Bahnhof von Kaunas
|
Vom Bahnhof mussten die Häftlinge vermutlich zu Fuß mehrere
Kilometer bis zum IX. Fort laufen. Die alte Wehranlage aus dem ersten Weltkrieg
wurde von den Nazis kurzerhand zum Vernichtungslager umfunktioniert. Ähnlich
wie in Treblinka hatte die Anlage von nun an nur noch einen Zweck: die
konsequente Auslöschung aller Regimegegner und unerwünschter Minderheiten,
darunter vor allem Juden. Viele der Opfer von Kaunas sind bis heute anonym. Man
weiß nur, dass zahlreiche Juden aus dem Ghetto von Kaunas hier umgebracht
wurden und dass weitere Opfer mit den Deportationszügen aus dem Westen kamen.
Ein Zufall will es, dass gerade die Deportationsliste der Münchner Juden, auf
der auch Kissinger zu finden ist, überliefert ist.
Das Neunte Fort
Das Museum des IX. Forts stellt uns freundlicherweise einen Experten
zur Führung durch die Anlage zur Seite. Der Litauer Rolandas Vytautas Lingys
ist ein weiteres gutes Beispiel eines jungen Mannes, der sich aktiv mit seiner
Geschichte auseinandersetzt. Während er uns durch das Museum und das Fort
führt, erzählt er von der Gräueltaten der SS, reflektiert aber auch die
Mittäterschaft vieler Litauer bei den Verbrechen gegen die Juden, die von einem
wütenden Mob in den Straßen von Kaunas auf Befehl der SS niedergeknüppelt
wurden.
Kaunas, IX. Fort |
Gleich am Eingang zum Fort fällt das große hölzerne Tor auf.
Alle Häftlinge gelangten so hinein. Wer einmal durch diese Tür ging, kam nur
noch einmal heraus – auf dem Weg zum Erschießungsplatz. Kaunas
bedeutete für fast alle Häftlinge den sicheren Tod. Gearbeitet wurde hier kaum.
Nur in den letzten Kriegstagen wurde die Häftlingen gezwungen, die wieder
ausgegrabenen Leichen der Opfer zu verbrennen, um die Verbrechen vor den
Alliierten zu verschleiern. Als die sowjetischen Streitkräfte Kaunas
schließlich 1944 befreiten, war das Vernichtungslager schon längst aufgelöst.
Ferdinand Kissinger verbrachte in Kaunas nur kurze Zeit, er
wurde bereits wenige Tage nach seiner Ankunft, wie wohl die meisten seiner
Mithäftlinge, erschossen. Es lässt sich heute nur erahnen, was in den Köpfen
der Münchner Juden nach ihrer Ankunft vorgegangen sein muss. Sobald sie im
Lager angekommen waren, mussten sie ihr gesamtes Hab und Gut abgeben und wurden
in Häftlingskleidung gesteckt. Daraufhin wurden sie in die total überfüllten
Zellen gepfercht. Im Winter ist es im Fort mit seinen dicken Steinwänden bitter
kalt, selbst jetzt im Hochsommer fühlt es sich an wie in einem Gefrierschrank.
Mehrmals täglich wurden Gefangene aus den Zellen geholt. Schnell mussten die
anderen merken, dass die Ausgewählten nicht mehr zurückkehrten und an ihrer
Stelle neue Gefangene ankamen. Den ganzen Tag über waren Schüsse vom nahe
gelegenen Feld zu hören. Die Ungewissheit über den nahenden eigenen Tod muss
zum Schlimmsten gehören, was ein Mensch durchleben kann. Auch hier ist es
wieder das Unvorstellbare, was man durch die eigene Einbildungskraft erst
einmal durchbrechen muss, um am Ende zwar immer noch nicht verstehen zu können,
aber es sich wenigstens vorstellen zu können.
Katharina vor Betten-Rekonstruktionen |
In einigen Zellen sind Gegenstände der Gefangenen
ausgestellt. Wir sehen zerbrochene Brillen, Taschen, Schminketuis und
Judensterne. Wie auch in Auschwitz, wo die persönlichen Gegenstände und abgeschnittenen
Haare zur eindrücklichsten Erfahrung des Besuchs gehören, sind es auch hier
genau diese kleinen Dinge, die uns die menschliche Tragödie am intensivsten
erfahrbar machen. Während wir die Zahnbürsten und Schuhe der Ermordeten
betrachten, baut sich so etwas wie ein persönlicher Bezug zu diesen Menschen
auf. Mit dem Einfühlen in Einzelschicksale ist die Mauer der Abstraktion dieser
noch zuvor weit entfernten Geschichte plötzlich weg. Wir sehen die Menschen
sowohl hinter den Opfern als auch hinter den Tätern, in dem wir uns fragen, was
einen Mensch dazu bewegen kann, vollkommen unmenschlich und ohne jegliche
Empathie gegenüber anderen Menschen zu handeln.
Katharina vor dem Mahnmal in Kaunas |
Die letzte Station unserer Führung ist wieder durch
Abstraktion gekennzeichnet. Wir stehen vor einem weiten Feld. Vor uns ist ein bombastisches
Mahnmal aus sowjetischer Zeit, sicherlich auch nicht frei von jeglicher
propagandistischer Ideologie mit zum Himmel reckenden Fäusten. Eine Mauer führt
vom Fort zum Feld. Davor ist ein Graben. Es ist noch heißer als gestern, die
Temperatur bei fast 39 Grad. Die Wiese ist frisch gemäht, man könnte fast ein
Picknick machen. Doch für Katharina, Ben und mich ist jetzt nichts mehr
abstrakt. Durch Katharinas Recherche ist Ferdinand Kissingers Ermordung für uns
zur greifbaren Tragödie geworden. Die Abstraktion einer vermeintlich längst vergangenen
Geschichte ist der persönliche Empathie mit einem Einzelschicksal gewichen.
Während wir noch schweigend vor der saftigen grünen Wiese
mit dem Mahnmal stehen, verlässt gerade eine israelische Reisegruppe das Fort.
Wieder einmal sind sonst nicht viele andere Touristen hier. Die meisten
Besucher sind im schönen, pittoresken Kaunas und trinken einen Eiskaffee oder
ein anderes kühles Getränk in dieser brüllenden Hitze. Wir setzen uns ins Auto
und fahren zurück in die Altstadt. Vielleicht trinken wir
auch einen Eiskaffee.
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