von Sabine Gerhardus
Die Familie Grünwald, Verena, Hedwig Grünwald, geborene Lachawietz,
Peter und Michael Grünwald, mit Annalena Elsner (mit Gedächtnisblatt)
vor
dem Banner von Paul Lachawietz
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„Da ist ja der Onkel
Paul!“ Das war eine Überraschung für Hedwig Grünwald, geborene Lachawietz:
Die Nichte von Paul Lachawietz stand bei der Ausstellungseröffnung des
Geschichtswerkstatt-Projekts „Das Lager und der Landkreis“ ganz unerwartet vor
dem Biographie-Banner ihres Onkels.
Ebenso groß war die Überraschung für die Abiturientin Annalena Elsner,
die sich über ein Jahr lang mit der Lebensgeschichte von Lachawietz beschäftigt
hat, und die bei der Eröffnungsveranstaltung am 11. Januar seinen Lebensweg
vorstellte. Sie hat dafür zahlreiche
Quellen über sein Leben gesammelt und in Archiven geforscht. Jetzt stand sie
zum ersten Mal einer engen Verwandten von Paul Lachawietz gegenüber, die noch
einiges über sein Leben zu berichten weiß. Als Hedwig Grünwald sich am Morgen
des 11. Januar aus dem Allgäu auf den Weg nach Odelzhausen machte, wusste sie nicht,
was der Grund ihrer Reise war: Ihr Sohn hatte im Internet von der Ausstellung
in Odelzhausen erfahren und die Reise mit seiner Familie organisiert, ohne zu
sagen, worum es ging.
Die Freude über diese Begegnung war auf beiden Seiten groß.
Annalena saß noch lange nach den Vorträgen mit der Familie zusammen und ließ
sich deren Erinnerungen an Lachawietz berichten. Sabine Gerhardus, die Leiterin
des Projekts „Das Lager und der Landkreis“ freute sich besonders: „Was für ein Glück! Frau Grünwald hat mir
erzählt, dass sie noch Fotos, Tagebücher und Erinnerungsstücke von Paul
Lachawietz hat und sie ist bereit, sie für die Ausstellung in Altomünster zur
Verfügung zu stellen! Das ist ein großer Schatz für die Arbeit der
Geschichtswerkstatt!“
Die Ausstellung in Odelzhausen zeigte 10 Biographien
ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau, die vor oder nach ihrer
Haft Bürger des Landkreises waren. Mit Paul Lachawietz stellt sie den letzten
Pfarrer von Sittenbach vor. Offensichtlich gibt es noch einige Menschen hier,
die sich an Paul Lachawietz erinnern können. Michael Drexl, der
Pfarrgemeinderatsvorsitzende, zeigte sich überwältigt, dass so viele Besucher
seiner Einladung gefolgt sind. Mehr als 100 Gäste standen bis auf den Gang und
hörten der Präsentation Annalena Elsners zu. Die Bannerausstellung wurde für
Odelzhausen mit zwei Vorträgen über weitere Gefangene ergänzt, die mit der
Gemeinde zu tun hatten. Agnes Heim, inzwischen Studentin der
Geschichtswissenschaften, hatte sich als Schülerin des Josef-Effner-Gymnasiums
mit der Biographie von Wilhelm Hoffmann befasst. Der fahrende Händler kam zum
zweiten Mal ins KZ Dachau, weil er in Langengern über seine Erlebnisse während
der ersten Inhaftierung erzählt hatte. Sabine Gerhardus berichtete über Albert
Vettermann. Er war 1937 beim Bau der A8 beschäftigt und wohnte im Lager der
Reichsautobahn in Wiedenzhausen. Dort begann er eine Beziehung zu einem jungen
Kollegen und zog mit ihm nach Sulzemoos. Deswegen erhielt er eine
Zuchthausstrafe von über zwei Jahren. Kurz danach wurde er ins Konzentrationslager
Dachau gebracht. Von dort wurde er nach Ravensbrück verlegt und im Jahr 1942 in
der Tötungsanstalt Bernburg/Saale ermordet.
„Mit diesem Projekt wird die eigene Geschichte besser
verständlich!“, meint Bürgermeister Markus Trinkl und freut sich am Erfolg der
Geschichtswerkstatt – ein Vorbild sei sie für andere Landkreise geworden. Der
Schirmherr der Ausstellung, Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, erinnerte
daran, dass Zeitgeschichte nicht nur Fakten aufzeigt, sondern immer auch
Emotionen und heftige Auseinandersetzungen hervorrufen kann. Wichtig sei es,
sich dem zu stellen, denn Irrtümer seien weit verbreitet, zum Beispiel, dass
die demokratische Entwicklung unumkehrbar sei: „stimmt nicht – es gibt einen
Weg zurück“.
„Was Gewalt und
Verfolgung mit Menschen machen, welche Folgen Traumatisierung manchmal für ein
ganzes Laben haben, erfahren wir, wenn wir uns die Biografien ansehen, die in
unserem Projekt entstanden sind.“ Angesichts von Terror und weltweit
gestiegenen Flüchtlingszahlen sei es wichtig, so Sabine Gerhardus, sich gegen
Terror, Gewalt und Ausgrenzung zu stellen. Jugendliche, die sich mit viel
Empathie in das Leben eines Verfolgten einfühlten, bezögen Position, wie das
Zitat einer jungen Teilnehmerin verdeutlicht: „Ich bin
toleranter gegenüber Minderheiten geworden und intoleranter gegenüber
Rechtsextremismus“.
Beide Ausstellungen der Geschichtswerkstatt werden ab dem 7.
März im Museum Altomünster zu sehen sein.
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